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Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Tübingen vom 13.10.2009

Datum: 13.10.2009

Kurzbeschreibung: 

Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Tübingen hat heute eine 30 Jahre alte Frau aus dem Kreis Esslingen wegen versuchter Misshandlung von Schutzbefohlenen mit der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen und sechs gefährlichen Körperverletzungen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Die Angeklagte, die an einem Münchhausen by proxy (Münchhausen-Stellvertreter)-Syndrom leidet, hat ihrem 6 Jahre alten Sohn in vier Fällen harntreibende Mittel, Diuretika verabreicht, so dass es zu deutlicher Gewichtsabnahme innerhalb weniger Tage und zur Störung des Salz- und Wasserhaushalts kam; das Kind musste in der Zeit von Ende Januar 2008 bis Mai 2008 in vier Fällen stationär behandelt werden; es wurde einmal in Krankenhaus in Esslingen, dreimal in der Kinderklinik Tübingen stationär aufgenommen. Bei dem Aufenthalt in der Kinderklinik Tübingen am 18. Mai 2008 spritzte die Angeklagte zweimal je 10 ml Reinigungsmittel in den Infusionsbeutel, was zu einer Hämolyse bei dem Kind führte. Als die Angeklagte über den kritischen Zustand ihres Sohnes informiert worden war,  ließ sie dennoch die verunreinigte Infusion weiterlaufen und nahm jetzt eine konkrete Lebensgefahr des Kindes, die aber tatsächlich nicht eintrat, billigend in Kauf. Dass die Angeklagte nun auch mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hätte, hat die Kammer nicht feststellen können. Die Tat wurde dann beim Wechsel des Infusionsbeutels durch einen Pfleger entdeckt.  Das Kind konnte kurze Zeit später körperlich gesund entlassen werden, ist aber psychisch schwer traumatisiert.

Die Voraussetzungen für die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus sind nicht erfüllt, weil unter den konkreten Umständen keine neuen erheblichen rechtswidrigen Taten der Angeklagten zu erwarten sind.

Laut dem psychiatrischen Sachverständigen sind bei dem vorliegenden Krankheitsbild nur eigene Kinder der Angeklagten gefährdet. Der geschädigte Sohn lebt aber jetzt in einem Kinderheim und die bloße Möglichkeit, dass die Angeklagte erneut Kinder bekommen und sich Taten dann gegen diese richten könnten, reicht aus rechtlichen Gründen zur Anordnung der Unterbringung nicht aus.

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